Unser Küppel mit seiner Viriditas

Stories und Sagenhaftes 

für Küppel-Kenner und Heimat-Kundler, für Familien-Wanderer und Einzelgänger, für Natur-Träumer und Historiker, für Acht-Jährige und Achtzehn-Jährige beiderlei Geschlechts, für Families und Liebende, für junge Chemiker und Pennäler mit und ohne Kleines-Latinum, für Schützenbrüder, die nicht wissen, was das Mondsiepen mit ihnen zu tun hat,  -  eigentlich für alle Vriggenohler, aber nicht alle auf einmal! 

Auf geht’s: On Tours mit einer küppeligen 12-Bilder-Galerie!

Tour 1

Auf unserem Küppel geht’s wieder laut und lustig zu! Ist ja auch Frühling! Freienohler hören sie ganz gut: die Hollen aus Velmede und Hellern, aus Bödefeld und Oedingen und aus der Esenbeck: die tanzenden Elfen und wieselflinken Zwerge; dann den Riesen vom Wallenstein und Wilzenberg mit dem Hünen von unserem Küppel; die zusammen mit den Hexen vom Osterwald beim Hilgenborn, vom Hexenstein bei Marpe und von Winkhausen; und fast zu sehen sind mit je einem Arm voll Lilien vom Grab des Pfarrers Montanus der Weiße Mönch in der Rellmecke, der Pilger von Silbach, der Unheimliche mit dem lang wallenden Bart vom Klusenstein, die Weiße Frau von Herdringen, die hutzelige Reiterin auf ihrem Esel aus Winkhausen, der wilde Reiter von Oelinghausen, und ohne Lilien der Knüppelhund zu Arnsberg.

Kleine Pause: Vorstellung der Mitreisenden

Ziemlich durcheinander erzählen das die „Vryg-Friends“, die Vrygenohler Freunde , ein typisch freiheitlicher Freienohler Freundeskreis. Einige sind hier an der Küppel-Kapelle zusammen gekommen: diese Erwachsenen: Niclas, Nicole, Sir Santa Claas (abgekürzt: Sir SC), Mr. M., manchmal ein Alleswisser oder Besserwisser, ausgeschrieben: Mister Mainstream; und diese Youngsters: Viriata und Viria (die beiden jungen Mädchen), und die beiden Kerle: Virjung und Virjan.

Tour 2

Gar nicht im Freienohler Rhythmus läutet Sir SC die Glocke der Küppel-Kapelle. Davor sitzen nämlich die „Vryg-Friends“. Sir SC soll endlich erklären, wer Viriditas ist. Eine Zauberin, eine zauberhafte Frau? Oder? Und wie unser Küppel an die oder so etwas herangekommen ist.  Mr.M. fügt hinzu. Er wisse nur: die zweite Silbe wird betont und auf Deutsch: Grünkraft.

Sir SC: Spürt Ihr denn nicht Viriditas?  

Viriata: Ich atme geradezu Grün ein. 

Virjung: Ich sehe auch ganz viel Grün um mich herum.  

Virjan: Dunkles und helles.

Viria: Und kuscheliges Moos.

Mr.M.:  Jetzt entwickele ich Empathie für Grün, intensives Zusammengehörigkeitsgefühl.  Sir SC: Bestens!

Tour 3

Niclas: Hört mal in aller Ruhe gut zu: Über und von und auf Viriditas gibt es ein fast 1000 Jahre altes Gedicht; ursprünglich auf Latein, ich lese Zeile für Zeile, immer dahinter die deutsche Übersetzung. Das Latein ist für die mit dem Kleinen-Latinum:

„O nobilissima viriditas, quae radicas in sole 

O edelstes Grün, in der Sonne du wurzelst, -

et quae in candida serenitate luces in rota, 

du leuchtest in strahlender Helle im Kreise, -

quam nulla terrena excellentia comprehendit,

den irdisches Sinnen und Sein noch so hoch kann niemals erfassen. -

Tu circumdata es amplexibus,

Umfangen wirst du von den Armen -

divinorum mysterium.

der Geheimnisse Gottes. -

Tu rubes ut aurora 

Du schimmerst wie Morgenrot, -

et ardes ut solis flamma,

brennst wie die Sonnenglut!

O Viriditas – o Grünkraft!“

 

Tour 4

Nicole: Und diese Grünkraft gehört zu unserem Küppel! Seit Hildegard von Bingen. Vorher ging´s da oben drunter und drüber! Jetzt kommen die gut miteinander aus, die Hollen und Riesen. Wir haben es gehört.

Die 4 Youngsters: Die Geschichten von denen haben wir in der Schule gelesen, im Buch von einem Friedrich Albert Groeteken: „Sagen des Sauerlandes“.

Virjan: Aber nun zu dieser Hildegard von Bingen. Ist Viriditas eine Tochter von ihr?

Sir SC: Eigentlich ja und eigentlich nein. Hier nur ganz knapp. Mehr findet ihr im Internet mit ihrem Namen. - Also:  Ganz einfache Christen hatten es damals – so um 1150 - nicht leicht zwischen Kaiser Friedrich Barbarossa, Papst Alexander III., Schisma, Gegenpäpste; der Erzbischof von Köln Rainald von Dassel hatte kirchen-politisch clever die Gebeine der Hl. Drei Könige in seinem Dom untergebracht. Dahin war die Ordens-Oberin Hildgard von Bingen unterwegs, zu Pferde, zwischendurch Stopp zu einigen energischen Predigten. 

Mr.M.: Und durch Köln gab es ja auch sogenannte Heiden-Straßen in Richtung Osten und in umgekehrter Richtung Jakobus-Wege. Vielleicht hat Hildegard da etwas von den Wäldern Westfalens gehört. Und weil sie vielleicht schon so wie eine Heilige war, hatte sie eine Ahnung von dem unmöglichen, friedlosen Benehmen der Hollen und Riesen. Bis ins Sauerland ritt Hildegard nicht, doch ihre Viriditas, die sang sie als Lied zu uns herüber, und  – so kann man auch  sagen - , betete sie  auf unseren Küppel!

Sir SC: Zu ihrer Grünkraft gehört bestimmt auch hier in der Küppel-Kapelle das Glocken-Läuten jeden Freitag Nachmittag um 3 Uhr: zur Erinnerung an die Todesstunde Jesu und aller seiner ihm nachfolgenden Ermordeten! Da läuten immer 2 Freienohler Männer, einer jedenfalls.

 

Tour 5

Virjung: Die friedliche Grünkraft hat auch geschafft Frieden in unserer Ruhr: böse Fische bissen sich nicht mehr, die guten Fische, die Äsche brauchen zum Leben keine Zähne, sie mögen sich und manchmal küssten sie sich, - wie im Freienohler Wappen.

 

Tour 6

Hier spürt man immer wieder etwas von der Viriditas, von ihrer Grünkraft, von ihrer Lebenskraft, von ihrer Creations-Kraft, ihrer Mit-Schöpfungs-Kraft.

Nicole: Gerade auch hier bei der Küppel-Kapelle. Die alljährliche Küppel-Prozession gibt es zwar schon lange, um Frieden mit der Schöpfung, damit Sturm und Regen die oft teuer umsorgte Natur in Wald, Feld und Garten nicht zerstören. Zur Küppel-Kapelle gehören nämlich die Hebammen, die mit ihrem beruflichen Können das Drumherum der Geburt eines neuen Menschen und das Wohlergehen der Mutter umsorgen. 

Mr.M.: Namentlich bekannt sind diese Freienohler Hebammen: Elisabeth Kerstholt geb. Trompetter, Ehefrau des Franz Wilhelm Kerstholt, geb. 1830, Approbation 1862, gest. 1890. Dann Fräulein Josephine Schröer, genannt Tante Fina, geb. 1868, Approbation 1894, Stifterin der neuen und jetzigen Küppel-Kapelle 1902. Sie und die dritte Hebamme Maria Trumpetter halfen 1913/1914 hier und in unseren Nachbardörfern bei Geburten. 

Sir SC: Zusammengefasst: Viriditas ist viel mehr als nur eine wunderschöne Grünkraft durch die Jahreszeiten!

 

Tour 7

Unsere Vrygenohler Youngsters: Kann das auch etwas mit dem geheimnisvollen Schatz vom Goldsiepen zu tun haben? Wir haben da schon mal experimentiert, aber noch nicht den winzigsten Gold-Schnipsel heraus gefiltert.

Mr.M.: Da findet ihr auch nichts mehr. Auf der Schiedlike Borg, so hieß damals die Wall-Burg ganz oben auf dem Küppel, da besaßen unsere Ur-Ur-Vorfahren auch gar kein Gold zum Vergraben. Die brachten hier nur  kurzzeitig ihre Alten, ihre Mütter, Frauen und Kinder in Sicherheit zum Schutz vor – sagen wir mal – durchziehenden Wilden. Aber vielleicht haben ja die Hollen doch noch ganz kleine Goldklümpchen für euch übrig gelassen.

Niclas: Aber vergesst das Denken nicht! Viriditas kam erst dank Hildegard von Bingen zu unserem Küppel, vorher eigentlich nicht.

Viriata: Bitte, was bedeutet denn das Wort „Schiedlike“? Bei Wikipedia muss man erst mehrfach von hier nach da tippen.

Niclas: In „Schiedlike Borg“ steckt das Wort „Schalkenburg“ und das Wort „Marschall“. So hieß der oberste Vertreter eines Fürsten oder Grafen oder Königs. Er war der Verwalter einer seiner Burgen. Von Marschall ist abgeleitet – altsächsisch, noch vor und um das Jahr 1000 – das Wort „Schalk“. Es gibt zahlreiche Schalk- oder Schalken-Burgen. So ein Schalk, also Marschall, hat nichts zu tun mit einem Spaßvogel.

Virjung: Aber mit Schalke-04!

Niclas: Jetzt nicht ablenken! Bei uns auf Freienohler.de findest du auch Skizze +Text.

 

Tour 8

Sir SC: Die Viriditas unseres Küppels hat sich mit ihrer Grünkraft um aller sauberstes Quellwasser  seines Mondsiepen gekümmert: um blitzblanke Biergläser und glattgeputzte Tische in der Schützenhalle, - vor über 100 Jahren zwischen Ruhr und dem Linneborn´schen Obergraben, gleich links nach der Langelbrücke! Etwas verkleidet ist sie noch zu erkennen.

Nicole: Genau! Die Frauen vom Schützen-Vorstand: Nicoletta, Nicoline und Nicolcre konnten zwar den Fußboden der Halle bestens scheuern und schrubben mit dem Wasser unserer Ruhr. Aber damit konnte frau nicht die Biergläser behandeln, man auch nicht, die Gläser wären zersplittert. 

Virjung und Virjan: Wie hat denn nun Viriditas das mit Hilfe des Mondsiepen geschafft?

Mr.M.: Einer meiner Vorfahren war damals, um 1907, bei den Schützenbrüdern. Der hat sich um die Überlieferung gekümmert. Also: die Frauen wollten streiken, die Männer haben nachgedacht. Es musste ein Mondsiepen-Wasser-Rohr unter den Obergraben in die Schützenhalle hinein angelegt werden. Der Fabrik-Direktor Adalbert Linneborn war selbstverständlich bereit, das Obergraben-Wasser an der Schlacht, also am Wehr vollständig in die Ruhr abzuleiten, den Graben trocken zu legen. Aber der Elektrizitäts-Stopp war nur am Sonntag möglich, nicht werktags, das war allen klar: eine Ausnahme. Aber das Problem war das Sonntagsgebot zur Sonntagsmesse in den „Fünf Kirchengeboten“. Das wurde zwar erst vor gut 350 Jahren kirchenamtlich eingeführt. Zum Glück war das biblische Schöpfungsgebot Gottes: „Macht euch die Erde untertan“  (Gen 1,28) schon älter – und nicht aufgehoben. Nun, die Schützenbrüder mit ihrem Programm „Glaube – Sitte – Heimat“  erlaubten sich, zusammen mit dem ersten Chef der Freienohler Firma Linneborn, die Sonntagsarbeit und nahmen den Krach mit Pfarrer Steimann in Kauf – wörtlich. Wie der Krach aussah und sich anhörte, ist nicht aktenkundig. Schließlich gab es zwei Kauf-Preise: zunächst für die Wasserleitung für die umfassende Sauberkeit in der Schützenhalle für die nächsten Jahre auch dank der Grünkraft von Viriditas und dann 450 Mark aus der Schützen-Kasse für einen bis auf den heutigen Tag – und besonders am Fest-Hochamt des Schützenfestes – kostbar goldenen Mess-Kelch zur Ruhe des Pfarrers – und mit (s)einem dankbaren Blick zur Viriditas.

Niclas: Zwei Bilder dieses Kelchs stehen übrigens im Buch aus dem Jahr 2002: „300 Jahre St. Nikolaus-Schützenbruderschaft Freienohl 1702“. Oder man geht vor dem Fest-Hochamt am Schützenfest mal eben in die Sakristei.

 

Tour 9

Mr.M.:  Unser Küppel und seine Viriditas kümmern sich auch um ein wunderbares und zugleich abenteuerliches Traumland auf unserer Ruhr für unsere Youngsters! 

Gestrafft berichtet: Die Vier sind gestartet auf einem meisterhaft vertäuten Holzfloß im Schultenohl, da wo der Obergraben wieder in die Ruhr mündet. Ein riesig langes Seil zieht das Floß. Die Youngsters stoppen es nach der Neuen Ruhrbrücke am Bömmecken. Das ist die erstaunlich Wasser tiefe Ruhr-Kurve. Hier haben schon manche Freienohler Jungen (damals hießen sie noch: Knaben)  und Mädchen vor 70, 90 und mehr Jahren Schwimmen gelernt, eher „Hunde-Paddeln“. Unsere Vier plantschen laut und lustig im Bömmecken und denken an ihre Ommas und Oppas: Wie die wohl damals ausgesehen haben! An der Langelbrücke endet die Traum-Reise. Das Seil wird noch weiter gezogen durch einen Flaschenzug dann unter der etwas hoch gelassenen Schlacht bis zur Traum-Zugmaschine im Linneborn´schen Werk.

Die vier Youngsters wachen wieder auf: Dankeschön, lieber Küppel und liebe Viriditas! 

 

Tour 10

Unser Küppel und seine Viriditas haben für die Freienohler Kids als ein Glück bringendes Angebot eine Summer-Roll-Tour vom Fuß des Küppel-Turms bis Auf´m Hahn. Das Mondsiepen hilft da etwas mit. Einzelheiten werden hier nicht weitergesagt.

 

Tour 11

Viriata und Viria: Warum das Goldsiepen so heißt, ist klar. Aber was bedeuten die beiden anderen Namen: Mondsiepen und Sundersiepen?

Niclas: Das Wort „Siepen“ ist in ganz Westfalen bekannt: ein kleiner Bach in einem kleinen, engen Tal mit manchmal mehreren Quellen; die siepen : triefen : sickern. Und ihr wisst ja: es heißt: das Siepen und nicht: der Siepen. Die beiden Namen Mondsiepen und Sundersiepen sind bei uns in Freienohl um 1850 aktenkundig. Sie werden benutzt von den damaligen 5 oder 6 beratenden und entscheidenden Politikern, zumeist Handwerksmeister, der „Gemeinde-Versammlung“ mit dem Amtmann an ihrer Spitze. Heutzutage meinen manche, die beiden Siepen haben etwas zu tun mit dem Mond und mit der Sonne. Die Leute sollen da mal hingehen und zum Mond und zur Sonne schauen. Dann merken sie: von diesen Blickwinkeln aus kommt eigentlich keiner auf die Namen-Gebung Sonne oder Mond. Oder eine Umbenennung wäre sinnvoller: Mondsiepen zum Sonnensiepen. Vielmehr ist sprachgeschichtlich korrekt: doppelt gemoppelt! Die sehr alten Wörter „sunder“ und „mont“ bedeuten sprachgeschichtlich und ortsgeschichtlich: sumpfig, feucht, nass, moorastig, genau wie „Siepen“ und außerdem für „sunder“: abgelegen, abgesondert.

Mr.M.: Und was hat Viriditas damit zu tun?

Sir SC: Geht mal dahin! Am Sundersiepen erlebt ihr eine urige, abenteuerliche Grünkraft, vor allem ihr Youngsters! Viriata und Viria laden da bestimmt zu einer Schatten-Party ein. Oder auf freienohlerisch: zu einer Schatten-Patti. - Und beim Mondsiepen erinnert euch nur an sein jedes Bierglas reinigendes Wasser für Leben spendendes Bier! Typisch Viriditas!

 

Tour 12

So vier-, fünfmal im Jahr bekommt die Familie E. (für „Eingesessene“, früher waren das auch „Hufe-Berechtigte“) vom Alten Weg oder vom Breiten Weg oder von der Hauptstraße und so weiter Besuch aus dem großstädtischen Ruhrgebiet. Die Großstädtis sagten dann schon mal kopfschüttelnd: Das ihr das hier aushaltet! Da vor dem Berg!

Alle „Vryg-Friends“ sagten fast gleichzeitig: Ihr meint unsern Küppel? Was habt ihr (laut betont) denn vor euch, wenn ihr aus eurem Fenster blickt? 50 Meter euch gegenüber, auf der anderen Straßenseite auch ein Haus, noch höher als euer Haus. Und dann die Fenster, die zu euch herüber glotzen, wie tote Geister! Und dann der Straßenlärm!  - Wir hören vor uns unsere Ruhr, ihr Rauschen, mal leise, mal etwas lauter. Und wir wissen die Äsche darin, die mögen sich! Überhaupt nicht so bretternd wie die Autos. Und alle 14 Tage oder alle 4 Wochen und immer wieder, im Frühling, im Sommer, im Herbst, im Winter, bei Regen und Sturm, in der Sonne und um Mitternacht und beim Regenbogen: unser Küppel: immer wieder neues Leben und neue Farbe! Dank der Grünkraft seiner und unserer Viriditas!

 

Bericht: Heinrich Pasternak